Fehler und Pannen

Karlsruhe // 28. September 2018 // PaulA*G

„(…) 12.09 Tripod in Lorien geräumt.Es sind noch Menschen in Hängematten in der Nähe.

11:40 Durchsungen und Kontrollen am Hangar

11:18 Hinter dem besetzen Tripod und dem Baumhaus wird in Lorien gerade eine Schneise in den Wald gerodet.

11:00 Mensch in Hängematte bei Tripod geräumt

10.55 Sitzblockade außerhalb Lorien wurde geräumt. Gleichzeitig ist die Polizei weiter in den Wald vorgerückt.

10:48 Unter einem Baumhaus hat sich eine große Sitzblockade gebildet. Menschen singen und schreien die Polizei an.

10:44 Massiver Tumult in Lorien. Presse wird bedrängt und an der Arbeit gehindert. Unter einem Baumhaus hat sich eine große Sitzblockade gebildet.

10:31 Am Boden sitzende Menschen werden vor laufender Kamera mit Schmerzgriffen gequält und geschlagen.

10:30 Lorien: Polizei treibt Menschen in den Wald. Schläge, Schubsen, Geschrei.

09:46 Verletze Person wurde abtransportiert

09:44 „Letzte“ Durchsage der Polizei. Versammlung ist aufgelöst. Menschenkette greift ineinander.

09:40 Eine Person in Lorien hat sich verletzt. Notarzt und Feuerwehr anwesend.

9:20 In einem Baum hinter dem Tripod in Lorien sitzen mindestens 5 Menschen. Der Kran nähert sich ihnen.

9.12 Kran ist vorgefahren. Polizei fordert dass Menschen den Bereich verlassen. (…)“

Zitat: https://hambacherforst.org/blog/2018/09/25/ticker-ab-25-september/, 27.09.18, 12:22.

 

Es ist viel passiert, diesen Sommer. Die Presselandschaft in Deutschland konnte über die Aufarbeitung, oder die Versuche der Aufarbeitung, zweier großer Fälle von „politisch motivierter Gewalt“ berichten. Diese Ereignisse haben auf den ersten Blick wenig gemein, außer dem Umstand, dass es sich in beiden Fällen um politisch motiviert geführte Prozesse handelte.
Es geht um den NSU-Komplex und um die Ereignisse um G20, um den Umgang mit „rechtem- und (sog.) linkem Terror“.

Wenn man annimmt, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Personenschäden bei G20 von Mitarbeitern der Polizei verursacht wurde, während der NSU auch ohne Einmischung der Exekutiven Organe mörderische Absichten verfolgte, lässt sich vielleicht, stark vereinfachend, folgender Spruch anbringen:
„(…) Linksextremisten zünden Autos an, Rechtsextremisten Ausländer (…)“ (frei nach Mark-Uwe Kling alias „Das Känguru“). Dies jedoch nur nebenbei.

Es ergibt sich sowohl aus dem NSU-Komplex/-Prozess, als auch aus den Ereignissen rund um die G20 Proteste die Notwendigkeit und das Bedürfnis, die Rolle und das Vorgehen der Staatlichen Sicherheitsorgane im Zusammenhang mit den Ereignissen kritisch zu untersuchen.
Warum bleiben die letztendlich tödlichen verbrecherischen Handlungen einer rechtsextremen Organisation über lange Zeit doch eher unbeachtet, und warum werden (mutmaßliche) Steinewerfer zu härteren Haftstrafen verurteilt als Personen bei denen eine gewisse Beweislast die Annahme nahelegt, sie seien über einen längeren Zeitraum Beihelfer der Terrorzelle gewesen?

“ (…) bei weitem nicht nur „Pannen‘ und ‚Fehler‘ der Behörden, als vielmehr die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Staats sowie das sogenannte Staatswohl (…)“ seien es, welche die Aufklärung des NSU-Komplexes behinderten, schreibt die taz in ihrer Beilage Kontext vom 28. Juli 2018 (S. 2, Politik, „Ich weiß alles, aber kann es nicht sagen“, Spalte 5 ganz unten).

Und bei weitem nicht nur „Pannen und Fehler“ sind vermutlich die Ursachen dafür, dass bei Protestveranstaltungen wie No G20, oder eben jetzt dieser Tage bei der Baumbsetzung im Hambacher Forst, die Polizei immer wieder durch unprofessionelles Verhalten, unnötige Härte, überstürztes Handeln, schlichte Gewalttätigkeit auffällt.

Weit davon entfernt, hier eine konkrete Absicht zu unterstellen, lässt sich vielleicht sagen, dass der Exekutive gewissermaßen nichts anderes übrigbleibt als diese Rolle zu spielen. Im Moment der Niederschlagung eines Protests wie im Hambacher Forst, bei dem die Forderungen schon längst klargemacht, alles gesagt und die Konsequenzen abzusehen sind, ist den Einsatzkräften wenig Handlungsspielraum gegeben.
Um die Souveränität des Rechtstaates aufrecht zu erhalten sind sie gezwungen, die Entscheidungen, welche an höherer Stelle getroffen werden, auch durchzusetzen.

Die (Landes)Regierung muss die „Kollateralschäden“ bei der Durchsetzung ihrer Entscheidungen gewissermaßen mitbedenken, es liegt in der Verantwortung der Gesetzgeber, abzuschätzen was nötig ist, um diese oder jene Entscheidung umzusetzen.
Es ist nicht nur die Exekutive dafür verantwortlich, den Souverän, den Staat, zu stärken und zu schützen, sondern es ist auch Aufgabe der Legislative, den Staat in einer Form, einem Zustand zu bewahren, in dem zum Erhalt des Staates keine unnötige Härte, Willkür, oder andere Vorgehensweisen nötig sind, die den Grundpfeilern eben jenes Staates zuwiederlaufen.

Im Falle Tagebaugebiet Hambacher Forst stellt sich dann die Frage ob es wirklich lohnt ein Vorhaben wie den Braunkohletagebau mit eskalativer Polizeigewalt, Represion und der mutwilligen Gefährdung von Menschenleben durchzusetzen, noch dazu im Wiederspruch zur offiziellen Klimapolitik und zuweilen auch gegen geltendes Recht.

Bildvorlagen Titelbild: Black Mosquito, taz Kontext vom 28.07.18